# 1. Ideenfindung für eine wissenschaftliche Arbeit
Aufbau dieses Skripts:
[TOC]
Zu Beginn einer wissenschaftlichen Arbeit wird zunächst eine Idee benötigt. Aus ihr entwickelt sich in vielen kleinen Schritten unser Thema und letztlich am Ende die gesamte Arbeit (bspw. eine Abschlussarbeit). Es gibt natürlich unterschiedlichste Wege, um zu einem Thema zu kommen. Im Rahmen dieses Seminars haben Sie beispielsweise ein paar grobe Themen als Anregung erhalten ([Foliensatz "Einführung, Formales"](https://e-learning.tuhh.de/studip/dispatch.php/course/files/index/bd855d98f225d7212dd98d3d09e23bb2?cid=61c21cabce0b160d497ccc33fe9ba46b)):
* Games in der Wissenschaft,
* Interkulturelle Kommunikation,
* Entwicklung u. Zukunft des Schrebergartens,
* Bibliothek der Zukunft.
![](https://i.imgur.com/qAO6DMC.jpg)
*Auch Ideenfindung kann mit Struktur unterstützt werden (Florian Hagen, CC BY 4.0).*
Für Abschlussarbeiten ist eine weitere Möglichkeit der Inspiration ein **Blick auf die Institutsseiten der Hochschule**. Während meinem Bachelorstudium habe ich auch immer einen Blick auf die Profile der Dozierenden und **Ausschreibungen von Unternehmen** geworfen, die zu bestimmten Themen eine Arbeit in Auftrag geben.
Es lohnt sich durchaus auch, auf dem Campus immer ein wachsames Auge zu haben (aktuell natürlich leider schwer). An der [HAW Hamburg](https://www.haw-hamburg.de/department-information.html) bin ich einst beim Schlendern durch das Hochschulgebäude an mein Forschungssemesterthema gekommen. Ein Dozent eines anderen Departments - den ich bis dahin auch nicht kannte - hatte an seiner Bürotür Themen ausgeschrieben, die er gerne betreuen würde. Aus dem Thema "Games und Nachrichten" entstand letztlich meine Forschungsarbeit *"Newsgames in Theorie und Praxis -
Analyse und Konzeptstudie zur Umsetzung journalistischer Inhalte in digitaler Spielform"*.
Diese Vorgehensweisen haben allerdings alle gemeinsam, dass der Faktor Zufall eine recht große Rolle spielt (u.a. zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein). Daher werden Ihnen in diesem Skript einige Möglichkeiten der Ideenfindung vorgestellt, die ein gezielteres, planvolleres Vorgehen ermöglichen.
**Zuvor jedoch die Frage:**
> Was sind Ihre Orte, Werkzeuge und Vorgehensweisen zur Ideenfindung?
![](https://writemd.rz.tuhh.de/uploads/upload_57f619c6d227600c3dcf29d222ca2627.png)
*Tragen Sie gerne ihre [Orte und Vorgehensweisen](https://pads.rz.tuhh.de/p/Id33nfindung_2021_W ) für die Ideenentwicklung ein, um untereinander Einblicke und Anregungen zu geben (Florian Hagen, [CC BY 4.0](https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de)).*
**Noch ein Hinweis:**
Zu einzelnen Ansätzen der Ideenfindung sind mögliche Aufgaben aufgeführt. Dies sind lediglich - freiwillig zu bearbeitende - Möglichkeiten, um die einzelnen Ansätze individuell auszuprobieren.
## 1.1. Wissenschaftliches Journal
Eine Möglichkeit langfristig strukturiert vorzugehen ist das wissenschaftliche Journal (nicht zu verwechseln mit wissenschaftlichen Journals, in denen Fachbeiträge veröffentlicht werden). Im Idealfall fangen Sie bereits früh im Studium damit an. Die Form ist dabei nicht fest vorgegeben:
![](https://i.imgur.com/PHZiKaN.jpg)
*Screenshot Präsentationsfolie "Beispiele Wissenschaftlicher Journals" (Florian Hagen, [CC BY 4.0](https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de)).*
Merkheft, App, Mappe oder Ringordner - digital oder analog: Notieren Sie Hinweise, Fragen, Eindrücke, Aussagen aus Vorlesungen, Seminaren, Gesprächen und Ihrem Studierendenalltag. Dies können bspw. sein:
* Fragen aus der Forschung,
* Hinweise auf Quellen und Literatur (Artikel, Videos, Statistiken, Autoren, Fachexperten),
* eigene Funde in analogen und digitalen Medien (Zeitungen, Zeitschriften, Webseiten, etc.),
* Aussagen, Zitate, Zahlen, Themen, Emotionen, die bei Ihnen zu Interesse oder Beschäftigung mit einem wissenschaftlichen Inhalt geführt haben,
* Hinweise auf Konferenzen und andere Veranstaltungen.
Zusammegefasst kann alles, was die wissenschaftliche Neugier auf irgendeine Art und Weise berührt, notiert werden. Auf diese Notizen kann je nach Zeit, Neugier oder Geistesblitz (da war doch mal was) zurückgegriffen werden. Nicht selten ist es bspw. ein unerwarteter Impuls in Bus, Bahn, Urlaub oder aktuell wohl vor allem Sport/ Spazierengehen, der uns die Chance gibt, eine bestimmte Idee weiterzuverfolgen und eine Verbindung zwischen von uns notierten älteren Gedanken und neuen Ideen ermöglicht. Frühere Ideen geraten so nicht in Vergessenheit und können auch später noch in Ergebnisse münden.
Darüber hinaus ist ein großer Vorteil für Schreibende dieses Tagebuches, dass eigene Stärken, Schwächen und Vorlieben bewusst ausgemacht werden können. So wird u.a. das Wahrnehmen eigener Forschungsinteressen gezielt unterstützt. Langfristig ist so eine bessere Orientierung im Studium und darüber hinaus möglich (bspw. lässt sich so ein Thema oder zumindest Forschungsfeld für wissenschaftliche Haus- und Abschlussarbeiten ohne großen Mehraufwand oder Zeitdruck auswählen).
## 1.2. Cluster
Das Clustern (englisch: Traube, Büschel) eignet sich auch für die kurzfristige Entwicklung von Ideen. Dabei werden aus zentralen Impulsen assoziativ weitere Ideen entwickelt. Um den zentralen Begriff bilden sich Ideennetze. Dabei besteht in der Regel keine logische, sondern eine intuitive Ordnung.
**Vorgehen:**
* Eine Aussage, ein Wort, ein Wert, etc. wird ins Zentrum des Clusters gesetzt;
* Alles was einem zu diesem Begriff spontan einfällt, wird ohne langes nachdenken oder Selbstzensur notiert und mit dem zentralen Begriff verbunden;
* Jedes Wort bzw. jede Idee wird dabei selbst zu einem neuen Kern innerhalb des Clusters;
* Sobald eine Ideenkette erschöpft ist, wird vom Zentrum ausgehend die Entfaltung einer neuen Ideenkette gestartet;
* Sobald die Ideenfindung ins stocken gerät, kann das Clusterverfahren abgeschlossen werden;
* Ausgehend vom Cluster wird ein kurzer Clustertext formuliert (Fließtext auf Basis des Aspektes, der uns am meisten interessiert, am ungewöhnlichsten oder anregendsten erscheint). Diese abgeleitete Schreibidee kann bspw. auf einer Ideenkette oder neu entdeckten Querverbindungen zwischen Begrifflichkeiten basieren.
![](https://writemd.rz.tuhh.de/uploads/upload_ad461132a7ed07cb58385a1b12abd1ed.png)
*Screenshot Beispiel-Cluster zum Thema "Lesen" (Florian Hagen, [CC BY 4.0](https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de/)).*
Ähnlich wie ein Cluster können Mindmaps aufgebaut sein. Diese sortieren in der Regel aber bereits Inhalte, um das eigentliche Thema direkt strukturierter anzugehen. Während es beim Clustern also um die schnelle Entwicklung von Ideenketten geht, bremst man beim Erstellen einer Mindmap das Tempo, um Struktur und Übersicht vorab zu planen. Das Clustern kann durch das Weglassen zu kritischer Betrachtung somit ein guter Einstieg in den Ideenfindungs- und Schreibprozess sein.
**Clustermethode ausprobieren?**
:::warning
:pencil:
**Clustern Sie zunächst zu einem nichtwissenschaftlichen Begriff:**
* Beispielbegriffe: Urlaub, Weihnachten, Meer, Lesen, Schreiben;
* Alternativ: Clustern Sie zu ihrem anvisierten Seminarthema;
* Lassen Sie ihre Gedanken frei in alle Richtungen laufen und zensieren Sie ihre Assoziationen NICHT;
* Nicht länger als 5 Minuten clustern;
* Schreiben Sie im Anschluss einen kurzen, frei formulierten Text (maximal 5 Minuten)
:::
**Mehr zum Thema Cluster:**
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RICO, Gabriele L., 2004. Garantiert Schreiben Lernen: Sprachliche Kreativität
methodisch entwickeln. Ein Intensivkurs auf der Grundlage der modernen Gehirn-
forschung. Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag. ISBN: 978-3-499-61685-3
```
## 1.3. Strukturbaum
Der Strukturbaum erinnert zunächst an das Clusterverfahren, ist aber eher vergleichbar mit dem Mindmapping. Auch hier bilden wir einen zentralen Begriff. Zusätzlich werden weitere Subkategorien angesetzt. Somit werden durch mehr Struktur verschiedene Facetten eines Zentralthemas betrachtet. Erst im Rahmen dieser Unterkategorien folgen wird den Assoziationsketten gefolgt. Es lassen sich aber auch weitere Kategorien bilden. So wird einer möglicherweise zu einseitigen Denkrichtung vorgebeugt. Die visuelle Darstellung soll das bewusste Verlassen einseitiger Denkansätze unterstützen. Hilfreich ist dieser Ansatz vor allem, wenn bspw. das Clusterverfahren überwiegend einseitige Ideen ergibt.
![](https://writemd.rz.tuhh.de/uploads/upload_a4ffbd04a79fda0ab553aa1f2292c86f.jpg)
*Beispiel eines Strukturbaumes (Florian Hagen, [CC BY 4.0](https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de)).*
Es kommt bei dieser Sammlung nicht auf eine klare Kategorientrennung an. In erster Linie steht das das Ausschliessen einer vorschnellen Einengung des eigenen Blicks im Vordergrund.
**Strukturbaum ausprobieren?**
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**Bilden Sie eine Kleingruppe (geht natürlich auch als Einzelperson):**
* Ein Gruppenmitglied gibt einen Begriff vor (bspw. Universität ;-)
* Erstellen Sie innerhalb von 5 Minuten einen Strukturbaum zu diesem Thema
* Reflektieren Sie: Was hat dieser visuelle Ansatz bei Ihnen ausgelöst?
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**Mehr zum Strukturbaum**
```
Roth, Richard: Arbeits- und Präsentationstechniken 3 : SS 2014. – Stand: 2014
https://www.thm.de/wi/images/user/roth-65/Downloads/APT_3_SS_2014.pdf.
– Abruf: 2020-04-14
```
## 1.4. Fragen als Auslöser der Ideenfindung
Pro- und Contra-Listen sind allgegenwärtig. Und so ist auch ein Einsatz für die Themenfindung einer wissenschaftlichen Arbeit denkbar, wenn bereits eine grobe Idee vorhanden ist:
| Pro | Contra | Bemerkungen |
| -------- | -------- | -------- |
| - umfassende Literatur vorhanden | - Aktualität der Forschung | - Trendthema oder langfristig von Bedeutung? | | -------- | -------- | -------- |
| - Fachexperten für das Thema bereits identifiziert | - Verfügbarkeit für Interviews unklar | - Machbarkeit hinsichtlich Datenauswertung/ Abgabefrist? || -------- | -------- | -------- |
| - Partner für praktische Umsetzung vorhanden | - Gefahr externer Abhängigkeit | - Kontaktperson bzgl. Verfügbarkeit im Bearbeitungszeitraum kontaktieren |
Auch eine individuelle Abwägung des Themas kann über einen Fragenkatalog erfolgen. So können sie für sich abwiegen, was wirklich für und was gegen ein Thema spricht (gerade wenn das Thema noch abgegrenzt werden muss oder Potential für eine inhaltliche Schwerpunktverschiebung vorhanden ist):
* Was interessiert mich am Thema bzw. was spricht dafür?
* Was ist mir unklar bzw. was verwirrt mich?
Diesen Ansatz können wir am Beispiel "Marketing für öffentliche Einrichtungen" durchspielen:
| Was fasziniert mich | Was ist mir unklar? | Bemerkungen |
| ------------------- | ------------------- | -------- |
| - Marketing fasziniert mich im Alltag | - Abgrenzung nötig, da zahlreiche Marketingformen existieren | - Schreiben aktuell Kommilitonen an dem Thema, kann dies bei Abgrenzung berücksichtigt werden | | ------------------- | ------------------- | -------- |
| - Marketing kann unterschiedlich aufgefasst werden | - Gibt es in der Praxis aktuelle Beispiele | Exaktere Abgrenzung, dann Best-Practice-Recherche | | ------------------- | ------------------- | -------- |
| - Durch Informationsüberfluss und digitalen Wandel immer wieder neue Forschung nötig | - Wo genau bekomme ich aktuelle Informationen? | - Je nach Form, also vorher weiter abgrenzen oder erst generellen Überblick durch umfassende Einarbeitung? |
:::warning
:pencil:
**Fragen als Denkimpulsauslöser ausprobieren?**
* Nehmen Sie sich Ihr anvisiertes Exposéthema;
* Fragen Sie sich selbst: Was spricht für und was gegen Ihr Thema?
:::
# 2. Zusammenfassung
Wir haben in diesem Abschnitt verschiedene Möglichkeiten der Ideenfindung thematisiert:
* **Wissenschaftliches Journal** (um langfristig Ideen und Forschungsinteressen festzuhalten);
* **Cluster-Ansatz** (um assoziative Ideen recht kurzfristig zu generieren);
* **Strukturbaum** (ebenfalls assoziative Ideenbildung, hier wird aber vorher noch durch Bildung unterschiedlicher Überkategorien eine Vorstrukturierung vorgenommen, um zu einseitigen Gedankengängen vorzubeugen);
* **Fragen zur Auslösung von Denkimpulsen** (Abwägung, ob bereits bestehende Ideen für uns geeignet sind, kann neue Ideen und Überlegungen anstoßen).
Auch wenn diese Ansätze uns mehr oder weniger allen unterbewusst bekannt sind, so kann das bewusste Wahrnehmen, ausprobieren und nutzen dieser "Werkzeuge" uns sehr viel Arbeit, Streß und Zeitaufwand (u.a. aufgrund fehlender Struktur bei der Ideenfindung) ersparen.
Dabei muss die jeweilige Methode nicht zwingend so eingesetzt werden, wie vorgegeben. Jeder Ansatz bietet Spielraum, so das eigene Konzeptinterpretationen der jeweiligen Methode möglich sind.
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